Thread Wieder der Vernunft II: shortcuts, short circuits and bypasses (11 answers)
Opened by Shagreen at 2003-09-22 14:46

jan
 2003-09-23 15:11
#22504 #22504
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>Hm, ein ineffizientes Solidarsystem führt in den Staatsbankrott, da kann man die Basis erhöhen wie man will.

eben, das ist der punkt. eine lösung wäre also, das solidarsystem dahingehend zu ändern, dass es effizient wird. im moment haben wir eine vorfinanzierung des solidarsystems, d.h. man zahlt nicht ein, um später davon zu leben, sondern man zahlt ein, damit die, die es jetzt benötigen, davon leben können. da aber pro solidarfall mehrere einzahler notwendig sind, müsste zur zeit ein babyboom ausbrechen, um das system länger bestehen zu lassen.

>Du unterstellst, daß der Mensch von Grund auf zur Faulheit und zu einem Taugenichtsdasein tendiert und deshalb diszipliniert werden muß. Das ist eine typisch bürgerliche Verdrehung der Tatsache, daß der Mensch erst von einem Wirtschaftssystem zur Tatenlosigkeit verurteilt wird.

nein, ich unterstelle nicht, dass der mensch von grund auf zur faulheit tendiert. führen wir das ganze zurück auf einfache umstände. um zu essen, muss man von einem baum früchte flücken, das nehme ich jetzt mal als grundlage. dieses flücken ist anstrengend. aber, da man essen will (und muss, um dem überlebenstrieb rechnung zu tragen), nimmt man diese anstrengung auf sich. kann man sie vermeiden und dennoch essen, dann ist es die ratio, die fordert, diesen weg zu gehen. keine triebbedingte sache, sondern eine frage der vernunft. natürlich nur, wenn man einen eher egoistischen als altruistischen menschen unterstellt...

>Richtig effizient ist eben nur die Menschenhaltung in Arbeitslagern. Da sich der fortschrittlich-demokratische Verstand daran stören könnte, ist es aber besser, jeder schaufelt sein eigenes Grab.

da würde ich schon mal widersprechen, die effizienz-steigerung bei arbeitslagern mag bei einfacher körperlicher arbeit höher sein, sobald man aber in facharbeiter-niveau steigt, ist sie rückläufig und sinkt recht schnell unter die effizienz einer freieren gesellschaft.

>Besser ist das System zu analysieren, woher kommt das gestiegene Bedürfnis nach einer Vollkaskogesellschaft?

ich wage mal einen ansatz: mehr wohlstand, mehr angst, ihn zu verlieren. mehr möglichkeiten, mehr bedarf, diese möglichkeiten auszunutzen. ein bedürfnis nach sicherheit ist uralt, früher baute man burgen, davor suchte man sich sichere höhlen. wer konnte, legte etwas geld oder nahrung zurück, für schlechte zeiten. das ist also kein ding der moderne - allerdings hat es sich dahingehend verändert, als dass die grundbedürfnisse in der westlichen welt weitestgehend gedeckt sind und man sich zu den sekundär- und tertiär-bedürfnissen hin absichern will. es geht also heute nicht mehr darum, auch morgen noch etwas zu essen zu haben, sondern auch morgen noch den fernseher mit kabelanschluß zu haben. dahingehend die veränderung.

>Nochmal, eine Bürgerversicherung hat das Problem der DDR auch nicht lösen können.

da vergleichst du aber äpfel mit birnen. die ddr ist nun nicht gerade das beispiel für ein effizientes wirtschaftssystem mit ineffizientem sozialsystem...

>Zu sagen, daß wir Deutschen nicht produktiv genug sind, ist nationalistische Volksverdummung, die selbst die Propagandamaschinerie unserer glorreichen Vorfahren locker an die Wand spielt.

denke ich nicht. die produktivität ist, im internationalen vergleich, unterdurchschnittlich. die lebensarbeitszeit liegt rund 20% drunter, wenn ich mich recht entsinne. wären "wir deutschen" produktiv genug, hätten wir nicht die probleme, die wir haben, die das reformierte holland nicht in dem ausmaß hat. risiko-absicherung kostet. hat immer schon gekostet. heute kostet es geld, um auf mein beispiel mit dem baum zurückzukommen, da kostete es mehraufwand, um sich mehr früchte als nötig zu holen und einige zurückzulegen, falls man morgen nicht ernten kann. diesen zusammenhang zwischen absicherung und mehraufwand haben viele imho aus den augen verloren und der allumfassende staat, der ihnen die individuelle verantwortung abnimmt, tut sein übriges dazu, ihn nicht wieder in ihr blickfeld hineinzurücken.

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