Thread Prophezeiungen 2005: ueber Perl etc. (53 answers)
Opened by Crian at 2005-01-28 14:58

jan
 2005-02-06 01:53
#19339 #19339
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das ist wohl eine grundhaltung, lichtkind, ob man davon ausgeht, dass der mensch von grund auf gut oder von grund auf schlecht ist. ich denke, weder das eine noch das andere ist der fall. ich denke, der mensch ist von grund auf auf sein überleben bedacht. natürlich gibt es da immer ausnahmen, aber beschäftigen wir uns mit der allgemeinheit. der mensch ist egoistisch. der mensch ist das intelligenteste raubtier auf diesem planeten. der mensch organisiert sich in gruppen und befolgt gewisse regeln, die diese gruppe sich gegeben hat, solange sie ihm von vorteil sind (oder ihm die übertretung dieser regeln nicht einen größeren vorteil verspricht als er ihn sich von deren befolgung erhofft). jeder macht gerne irgendwas, stimmt. die frage ist nur, was er gerne macht. tut er irgendwas, was nur ihm nützt oder tut er etwas, was allen nützt? wenn ersteres der fall ist: warum sollen dann die anderen für ihn arbeiten? das ist der wesentliche punkt dabei, denke ich.
wenn ich nun aber bei dir lese, dass es aufgabe einer gesellschaftsorganisation wäre, das "zum allgemeinen nutzen zu organisieren", klingt das für mich schon wieder sehr nach kollektiv, nach unterordnung des individuums unter die kollektiven interessen, nach unfreiheit. da lobe ich mir doch im grunde den moralischen kapitalismus. moralisch deshalb, weil es jedem einzelnen obliegt, was er tut. es gibt ein paar grundsätzliche rechte, ob du sie wahrnimmst oder nicht, ist deine entscheidung. warum transferzahlungen mitnehmen, wenn man auch ohne zurecht kommt? das ist für mich eine moralische qualität, man entscheidet, ob man auf die unterstützung der gemeinschaft angewiesen ist oder nicht. ist man es nicht, nimmt man die unterstützung auch nicht in anspruch. die schwelle, ab der man auf die unterstützung angewiesen ist, liegt natürlich bei jedem anders. ich habe teilweise im winter kaum geheizt und mit decke und schlafsack geschlafen, weil ich mit dem strom sparsam sein musste, den kühlschrank abgeschaltet und nur noch reis gefuttert, weil ich kein geld hatte. das ist eines jeden entscheidung, was er ertragen kann und was nicht. aber gleichzeitig ermöglicht mir dieses wunderbare kapitalistische system, das zu tun, was ich will und nicht das, was am sinnvollsten für die gesellschaft ist. ich kann wenn ich möchte, den ganzen tag nackt zuhause sitzen und bei britney spears mitrülpsen. ich kann sachen tun, die mich erfreuen. nenn' es selbstverwirklichung. ja, ich kann sogar über das system meckern, wenn ich will und anlass dazu habe. ich kann es sogar ohne. alles meine entscheidung, die ich auf grundlage der fakten treffe. es ist natürlich. wenn ich mir die frucht gepflückt habe, kann ich tun, was ich will, ich muss nicht herumlaufen und mehr früchte pflücken, weil die gesellschaft mir sagt, dass das meine aufgabe ist. ich kann es tun, wenn ich möchte, aber ich muss nicht. wenn ich einem obdachlosen, der vor dem supermarkt um geld bittet, etwas gebe, ist das meine entscheidung. in einer auf das gemeinwohl ausgerichteten gesellschaft tue ich nur das, was allgemein für sinnvoll gehalten wird. keine visionen, kein fortschritt, keine risiken, keine versuche, nur maschinenartiges funktionieren. das ist nichts für mich. es ist samstag abend, halb eins, und ich darf zuhause sitzen und mir das letzte glas wein einschänken, obwohl ich morgen arbeiten werde.
und das lustige ist, ich gehöre sicher nicht zu den privilegierten in dieser gesellschaft. ich bin ein dilletant, ein spieler. ich mag computer, wenn mich ein projekt interessiert, mach ich es und nehme dafür so viel geld wie ich brauche. ich arbeite viel, weil es mir spaß macht, nicht, weil ich dadurch reich werde. aber ich liebe die freiheit, die es mir gibt. die freiheit, die mir die entscheidung überlässt, was ich mit dem geld mache, ob ich ein ordentliches essen zu mir nehme oder einfach zwei flaschen wein und eine packung luckies kaufe. die freiheit, die mich aus dem fesseln der logik befreit, die es mir erlaubt, unlogisch zu handeln, die es mir erlaubt, mir selbst zu schaden, dummheiten ganz bewußt zu genießen. in einer auf das gemeinwohl ausgericheten welt wäre alles, was mir schadet zugleich ein schaden am allgemeinwohl. entweder müsste man dann jede menge ausnahmen machen für die leute, die sich abends einen einschenken möchten und dazu am liebsten ihre lieblingszigaretten rauchen oder man würde den einheitsmenschen schaffen. am schönsten finde ich das in "wir" von samjatin beschrieben, was daraus wird. den gegenpart dazu hat dostojewski geliefert: aufzeichnungen aus dem kellerloch.

das oftmals verschmähte privateigentum stammt übrigens aus der französischem revolution und wurde erst spät durch brüderlichkeit verdrängt. die eigentliche forderung war "freiheit, gleichheit, eigentum". das eigentum deshalb, um gerade die unabhängigkeit des einzelnen vom staat, von der allgemeinheit, zu sichern. der moderne freiheitsbegriff besteht im grunde auf dem privateigentum des einzelnen, der dadurch unabhängig und frei ist.

die aktuelle politik ist da ja eher auf deiner seite, ganz abgesehen davon, dass es trotzdem immer mehr arbeitlose gibt und die gewinne einiger konzerne ordentlich steigen. der einzelne soll gefälligst aufhören, frei zu sein und endlich das tun, was "richtig für ihn" ist. hört gefälligst auf zu rauchen, es schadet euch und damit der allgemeinheit. na, kennen wir das nicht? natürlich, die spd... und wer war es noch, der meinte, freiheit und sicherheit seien eine untrennbare einheit? natürlich, otto schily, spd. wohin mag das führen?
nun noch etwas zur erheiterung der allgemeinen stimmung bei all diesem garstigen zeug: regy clasen - da werde ich immer sein: http://www.regyclasen.de/wtidw-kurz/DaWerdIchSein.mp3
und dann noch etwas, was man dabei lesen kann:

Little Tony was sitting on a park bench munching
on one candy bar after another.
After the 6th candy bar, a man on the bench across from him said,
"Son, you know eating all that candy isn't good for you.
It will give you acne, rot your teeth, and make you fat."

Little Tony replied, "My grandfather lived to be 107 years old."

The man asked, "Did your grandfather eat 6 candy bars at a time?"

Little Tony answered, "No, he minded his own fucking business."

EVERYBODY FOR PRESIDENT!

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