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Wider der Vernunft III: shortcuts, short circuits and bypasses



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Shagreen
 2003-10-14 15:42
#23843 #23843
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"Aus, aus, das Spiel ist auuuuuuuuuuuuuus, Deutschland ist Weltmeister!!!" Schon öfters konnten wir diesen Satz intonieren, damals als alles viel besser war. Und endlich, nach einer langen Dürreperiode, in der eigentlich gar nix ging (die Ossis waren eher hinderlich als eine Verstärkung), hören wir es wieder. Wir haben es wieder einmal geschafft. Deutschland ist Weltmeister. Bravo.
Und während Altkanzler Schmidt das Gejammer der Ossis zum Kotzen findet, Abweichler ganz demokratisch auf Kurs gebracht werden, Schröder die ökonomische Vernunft anmahnt und Ökonomen für dreifache Nullrunden plädieren, enledigt sich der Alltagsverstand des Denkens und krepiert als Unvernunft.
Weiter(undjetztnurnichtschlapp)machen!
Deutschland ist wieder Export-Weltmeister
jan
 2003-10-14 15:58
#23844 #23844
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und dennoch gibt hier jeder zweite an, dass er große angst vor der zukunft hat...
halten wir es vielleicht lieber mit maxeiner und miersch: die zukunft wird besser als die vergangenheit - und bei weitem besser als das, was die zweckpessimisten mit großen spendenhoffnungen propagieren...
kann ich übrigens empfehlen, die bücher von den beiden. wirklich nett, endlich mal journalismus, der sich nicht an dem trend-geschwätz orientiert.
Shagreen
 2003-10-14 20:16
#23845 #23845
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Erstens: Natürlich ist es von der bürgerlichen Journalie ziemlich platt, schon im Jahre II des neuen Jahrhunderts von einer Jahrhundertflut zu sprechen. Gerade weil sich die Auswirkungen unseres hektischen Prozessierens auf dieser Welt erst in 20 bis 30 Jahren bemerkbar machen.
(In anderen Gegenden ist "Land unter" an der Tagesordnung. Also was beschweren sich die Deutschen? Pack die Badehose ein ...)

Zweitens: Im August diesen Jahres las ich folgendes: Die Haushalte müssen nicht Wasser sparen (trotz durch Hitzerekorde gefallener Wasserstände in den Talsperren), da das Wasser nur verteuert werden würde.
(Übrigens sind in Frankreich diesen Sommer tausende Menschen mehr als "üblich" "verendet".)

Drittens: 1,3 Millionen Pendler bewegen sich wöchentlich durchs Bundesgebiet.
Eine 2-/2,5-stündige Fahrtzeit ist bei einem Arbeitstag bis/ab 6 Stunden zumutbar.
(Wieviele Menschen bewegen sich täglich beruflich, aber auch in der "Freizeit" zu Tode?)

Viertens: Gestehen wir jeder Nation unseren "Fortschritt" zu. Wir wollen ja mit dem Totschlagargument von "Marktwirtschaft+Demokratie" den ganzen Erdball flächendeckend einebnen, wie sieht dann die Rechnung aus?
(Wieviele Menschen haben wir schon vom irdischen Jammertal erlöst?)

Fünftens: Die Ressourcen schwinden, und das nicht nur stetig, sondern mitunder exponentiell (daß das Glas nämlich innerhalb von 20 Jahren halb geleert wurde, heißt nicht, daß es weitere 20 Jahre bis zur Neige braucht).

Sechstens: Wir dürfen nicht den Fehler machen Überschwemmungen mit Wassermangel auszugleichen, nur um dann in dieser betriebswirtschaftlichen Gesamtrechnung (unterm Strich) kein Problem mehr zu sehen.

Also: Wachsam bleiben und fachübergreifend denken (Wie wurde Tschernobyl eingeordnet?)!!! Wenn die Autoren einiges hiervon berücksichtigt haben, ist es bestimmt ein lesenswertes Buch. Wenn es bloß ums Dosenpfand ging, ist das meiner Meinung nach zu kurz gedacht.

Eine Ökonomie, die den Menschen (=Natur) abwertet, kann nicht ökologisch sein.
Eine Ökologie, die den Menschen (=Natur) aufwertet, kann nicht ökonomisch sein.
Frage: Könnte Ökologie die Abwesendheit von Ökonomie sein?
jan
 2003-10-14 20:54
#23846 #23846
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ach, da gibt es so ein paar ganz nette bücher, zum beispiel "das lexikon der populären irrtümer" und "das neue lexikon der populären irrtümer". oder eben auch "so lügt man mit statistiken", das viele umwelt-untergangs-propheten in bedrängnis bringt - lügen sie bewußt, um ihre spenden-säckel füllen zu lassen oder wissen sie es einfach nicht besser? die themen globale erwärmung etc pp sind da natürlich überall nicht vernachlässigt. dass temperaturänderungen enorm sind, wenn man den betrachtungszeitraum auf 100 jahre beschränkt, ist verständlich. dass die selben änderungen vollkommen irrelevant erscheinen, wenn man sich mal einen zeitraum von 100.000 jahren ansieht, ist eine andere sache. wozu denn auch, mit der wahrheit lässt sich selten geld verdienen.
ich empfehle, mal diese büchlein zu lesen. es macht spaß, man lernt eine menge, was man vorher nicht wusste (auf alle gebiete bezogen in den lexika der populären irrtümer), bekommt ein bisschen handwissen, um mit statistiken und "wissenschaftlichen" aussagen besser umzugehen (achja, wusstest du, dass der zusammenhang zwischen dem rückgang der storchenpopulation in den 60ern des letzten jahrhunderts und dem gleichzeitigen geburtenrückgang statistisch hochsignifikant war?), die auf statistiken beruhen und lernt sogar in dem einen oder anderen abschnitt anhand übungsaufgaben, wie man eigene statistiken so darstellt, dass sie genau das aussagen, was man gerne aussagen möchte, wie man sie ansprechend grafisch darstellt, um seine meinung zu unterschreichen und noch vieles mehr.
natürlich liegt vieles im argen und noch manches ist unsinnig, die gesamte flußbegradigung zum beispiel halte ich größtenteils für mist. auslaufflächen werden abgeschafft und dann wundert man sich bei einer flut. ach ja. aber dennoch sind die apokalyptischen reiter immer noch nicht am horizont zu sehen, ganz gleich, wie sehr greenpeace und andere nach ihnen ausschau halten und ihre ankunft verkünden.

vielleicht ja auch mal eine lektüre wert: http://www.maxeiner-miersch.de/. von den umwelt-rettern zu den nazis geschoben, von den globalisierungskritikern zu den turbokapitalisten, von den guten als werkzeug des bösen gegeißelt. wer so viele gegner hat, die ihre verbale aufrüstung so stark erhöhen, der muss irgendwo in den richtigen wunden gebohrt haben ...
Shagreen
 2003-10-15 11:21
#23847 #23847
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[quote=Jan,14.10.2003, 18:54]ach, da gibt es so ein paar ganz nette bücher, zum beispiel "das lexikon der populären irrtümer" und "das neue lexikon der populären irrtümer". oder eben auch "so lügt man mit statistiken", das viele umwelt-untergangs-propheten in bedrängnis bringt - lügen sie bewußt, um ihre spenden-säckel füllen zu lassen oder wissen sie es einfach nicht besser? die themen globale erwärmung etc pp sind da natürlich überall nicht vernachlässigt. dass temperaturänderungen enorm sind, wenn man den betrachtungszeitraum auf 100 jahre beschränkt, ist verständlich. dass die selben änderungen vollkommen irrelevant erscheinen, wenn man sich mal einen zeitraum von 100.000 jahren ansieht, ist eine andere sache. wozu denn auch, mit der wahrheit lässt sich selten geld verdienen.
[/quote]
Das begreife ich nicht. Die enormen Änderungen in einem kleinen Zeitraum relativieren sich, wenn man einen größeren Maßstab anlegt? Bitte kläre mich auf.

[quote=Jan,14.10.2003, 18:54]ich empfehle, mal diese büchlein zu lesen. es macht spaß, man lernt eine menge, was man vorher nicht wusste (auf alle gebiete bezogen in den lexika der populären irrtümer), bekommt ein bisschen handwissen, um mit statistiken und "wissenschaftlichen" aussagen besser umzugehen (achja, wusstest du, dass der zusammenhang zwischen dem rückgang der storchenpopulation in den 60ern des letzten jahrhunderts und dem gleichzeitigen geburtenrückgang statistisch hochsignifikant war?), die auf statistiken beruhen und lernt sogar in dem einen oder anderen abschnitt anhand übungsaufgaben, wie man eigene statistiken so darstellt, dass sie genau das aussagen, was man gerne aussagen möchte, wie man sie ansprechend grafisch darstellt, um seine meinung zu unterschreichen und noch vieles mehr.
[/quote]
Könnte Statistik denn nicht ein Mittel zur "Formalisierung der Vernunft" (Adorno/Horkheimer) sein? Statt Feuer mit Feuer zu bekämpfen (die Statistik mit sich selbst zu widerlegen), hätte ich eine fachübergreifende (philosphische) Argumentation erwartet. Denn wenn die Statistik eine Falsche ist, kann ich das Richtige nicht aus einer Statistik erkennen.
Auf Deine weiteren Ausführungen möchte ich nicht weiter eingehen.
renee
 2003-10-15 12:04
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@Shagreen:
Die Temperaturen der Erde verändern sich schon seit 1000en von Jahren. Es geht von der Eiszeit bis hin zu einer "Warm"zeit und wieder zurück...

Also gab es in den letzten 100.000 Jahren Temperaturunterschiede von mehreren 10°C. Dagegen erscheinen die Temperaturerhöhungen der letzten Jahrzente von 1.5°C (ich weiß jetzt nicht wieviel es wirklich ist) eher "lächerlich". Darum relativiert sich die Temperaturschwankung der letzen Jahre, wenn man den Zeitraum der Betrachtungen auf mehrere 1000 Jahre erweitert.\n\n

<!--EDIT|renee|1066205361-->
OTRS-Erweiterungen (http://feature-addons.de/)
Frankfurt Perlmongers (http://frankfurt.pm/)
--

Unterlagen OTRS-Workshop 2012: http://otrs.perl-services.de/workshop.html
Perl-Entwicklung: http://perl-services.de/
jan
 2003-10-15 12:50
#23849 #23849
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ich will die statistik gar nicht mit einer statistik widerlegen, die statistik ist ne tolle sache, das einzige problem damit ist, dass sie nichts aussagt, sondern nur eine statistik ist. die aussagen interpretiert man hinein, und da sollte man vorsichtig sein...
Shagreen
 2003-10-15 13:08
#23850 #23850
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Thema: "Die Temperaturen der Erde verändern sich schon seit 1000en von Jahren. Es geht von der Eiszeit bis hin zu einer "Warm"zeit und wieder zurück..."

Statistiker: "Also gab es in den letzten 100.000 Jahren Temperaturunterschiede von mehreren 10°C. Dagegen erscheinen die Temperaturerhöhungen der letzten Jahrzente von 1.5°C (ich weiß jetzt nicht wieviel es wirklich ist) eher "lächerlich". Darum relativiert sich die Temperaturschwankung der letzen Jahre, wenn man den Zeitraum der Betrachtungen auf mehrere 1000 Jahre erweitert."
Alternativer: "Der Mensch werkelt erst seit 150 Jahren industriell, Tendenz zunehmend. Wie sieht es mit einer Prognose für die nächsten Jahrzehnte aus? Es gab da mal einen Bericht des Club Of Rome über die Grenzen des Wachstums..."
Bürgerlicher: "Aber bei unserem Fortschritt in Wissenschaft und Technik werden wir unsere Umweltprobleme auch lösen können!"
Zyniker: "Also handelt es sich eher um Kollateralschäden."

Alle haben sie Recht und gleichzeitig Unrecht; Statistik ist wirklich die verwissenschaftlichte Nullaussage. Man kann sie drehen und wenden, wie man will, sie stimmt immer und kann prima ideologisch verwertet werden. (Schon jetzt prophezeie ich einen Rückgang der Arbeitslosigkeit für 2004 bei gleichzeitiger Erhöhung der Arbeitslosigkeit für 2004. Nicht möglich? Fragt demnächst die Statistik!)

Und so denkt jeder Statistiker statistisch, der Alternative alternativ, der Bürgerliche bürgerlich und der Zyniker zynisch. Alle halten sich für ziemlich aufgekärt im Rollenspiel und bemitleiden lächelnd den Anderen ob seiner Unaufgeklärtheit.

Das Denken bleibt auf der Strecke, lieber käut man alte Mythen wieder.
Mehr Opium gefällig?
Nein danke, ich hatte schon.
jan
 2003-10-15 13:18
#23851 #23851
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ja, da muss man sich in acht nehmen, vollkommen richtig. eben weil solche mythen und irrtümer gerne genommen werden. auch die, die sich selbst als kritische menschen betrachten schlucken alles ohne zu hinterfragen, wenn es nur in ihr weltbild passt...

ich empfehle dir wirklich, gar nicht, weil es dich aufklären könnte oder so, sondern einfach nur so, als unterhaltung mit nebeneffekt, das lexikon der populären irrtümer (oder auch das neue, gleichermaßen interessant). schöne sachen drin, unter anderem natürlich auch statistik, zu umwelt, wirtschaft, politik, kultur. "denk ich an deutschland in der nacht, bin ich um den schlaf gebracht", nur mal so als beispiel ... was man hier bei heine nicht alles vermutet, ein trauerstück über den verfall seiner heimat, einen weckruf an die deutschen, ein willkommensgruß an die apokalyptischen reiter ... und die wenigsten wissen, was er denn nun wirklich meinte. wundert ja auch nicht, wenn man nur den anfang kennt und nicht das ende. oder brecht und das ihm untergeschobene "Stell dir vor es ist krieg und keiner geht hin" - so einfach verdreht man den sinn seiner worte...
Shagreen
 2003-10-15 15:29
#23852 #23852
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[quote=Jan,15.10.2003, 11:18]ich empfehle dir wirklich, gar nicht, weil es dich aufklären könnte oder so, sondern einfach nur so, als unterhaltung mit nebeneffekt, das lexikon der populären irrtümer (oder auch das neue, gleichermaßen interessant). schöne sachen drin, unter anderem natürlich auch statistik, zu umwelt, wirtschaft, politik, kultur. "denk ich an deutschland in der nacht, bin ich um den schlaf gebracht", nur mal so als beispiel ... was man hier bei heine nicht alles vermutet, ein trauerstück über den verfall seiner heimat, einen weckruf an die deutschen, ein willkommensgruß an die apokalyptischen reiter ... und die wenigsten wissen, was er denn nun wirklich meinte. wundert ja auch nicht, wenn man nur den anfang kennt und nicht das ende.
[/quote]
Ja, das mußte ich auch zum Besten geben ("Die schlesischen Weber" nicht zu vergessen). Habe leider meine alten Schulbücher nicht mehr. Kannst Du mir das vielleicht mailen?

[quote=Jan,15.10.2003, 11:18]oder brecht und das ihm untergeschobene "Stell dir vor es ist krieg und keiner geht hin" - so einfach verdreht man den sinn seiner worte...
[/quote]
Klasse, ich kannte auch bloß den Einzeiler. Aber stellt Brecht auch die Frage nach dem Grund für den Krieg oder setzt er ihn stillschweigend voraus? Habe nur den Ausschnitt gefunden:

[quote=Brecht,genaueres weiß ich nicht]Stell' dir vor, es ist Krieg Und keiner geht hin.
Wer zu Hause bleibt, wenn der Kampf beginnt
Und läßt andere kämpfen für seine Sache
Der muß sich vorsehen: denn
Wer den Kampf nicht geteilt hat
Der wird teilen die Niederlage.
Nicht einmal den Kampf vermeidet
Wer den Kampf vermeiden will: denn
Es wird kämpfen für die Sache des Feinds
Wer für seine eigene Sache nicht gekämpft hat.
[/quote]
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